Aktuelles , Schätze aus Archiv und Bibliothek | 02. Nov. 2020

Schätze aus 200 Jahren MGH-Geschichte - Folge 14: Von NSDAP-Propaganda vereinnahmt

In loser Folge stellen wir Ihnen Stücke aus unserem Archiv und unserer Bibliothek vor. Hier finden Sie Raritäten wie auch Dokumente, die die Entwicklung der Monumenta Germaniae Historica prägten; sowie Schriftstücke, die Einblick in die Jahre der NS-Diktatur geben. Die MGH wünschen viel Spaß auf der Entdeckungsreise!


Am 15. Februar 1937 bekam Wilhelm Engel als Leiter der MGH aus dem „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ einen Zeitungsartikel geschickt. Der Beitrag mit dem Titel „Die „Monumenta“ unser gewaltigstes Geschichtswerk“ war am 6. Februar 1937 in der NSDAP-Zeitung Hamburger Tageblatt veröffentlicht worden. In seinem Dankschreiben wies Engel darauf hin, dass dieser Artikel sicher „aus der Zeit vor dem 1. April 1936 stammt“, also vor seinem Amtsantritt fotografiert und verfasst wurde (MGH-Archiv B 563, Bl. 159). Warum Engel betonte, dass er mit diesem Artikel nichts zu tun hat? Vermutlich, weil der Inhalt eher banal und teilweise sachlich falsch ist.

Der Zeitungsartikel ist archiviert in einem Briefwechsel zwischen der NSDAP-Forschungseinrichtung „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ und Wilhelm Engel, dem Leiter der MGH, des „Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde“. Das „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ war 1935 auf Betreiben des nationalsozialistischen Historikers Walter Frank, eines überzeugten Antisemiten, gegründet worden. Parallel zu dieser Propaganda-Forschungseinrichtung waren die Monumenta Germaniae Historica ebenfalls zu einem „Reichsinstitut" umorganisiert worden.


Dieser Briefwechsel lässt erahnen, wie Walter Frank den gleich alten Wilhelm Engel instrumentalisierte. Franks Reichsinstitut sandte Wilhelm Engel Abschriften von Zeitungsartikeln über nationalsozialistische Geschichtsforschung, hatte aber vor allem jede Menge Anliegen an den Leiter des „anderen“ Reichsinstituts. So mahnte ein Mitarbeiter Walter Franks, die regelmäßige und möglichst kostenlose Zustellung der Zeitschrift „Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters“ an ((MGH-Archiv B 563, Bl. 151). Wilhelm Grau, Leiter der „Abteilung Judenfrage“ des neuen Reichsinstituts, fragte die Überlassung eines Exemplars aller MGH-Editionen „entweder als Geschenk oder zu verbilligtem Preis“ an (MGH-Archiv B 563, Bl. 169). Beides musste Engel abschlägig beantworten. Auch als Frank an ihn herantrat mit dem Anliegen, für die „Reichszentrale für wissenschaftliche Berichterstattung“ eine Liste von Preisen und Medaillen, die auf dem Gebiet der Kunst und Wissenschaft im Deutschen Reich gestiftet wurden, zusammenzustellen, antwortete Engel ablehnend - vielleicht für seine Interessen eher strategisch ungeschickt (MGH-Archiv B 563, Bl. 147).


Der Zeitungsartikel bedient sich übrigens tatsächlich aus einer Veröffentlichung, die weit vor Engels Amtszeit entstand. „Das gewaltigste deutsche Geschichtswerk MONUMENTA GERMANIAE HISTORICA“ erschien im Juni 1934 in der Wochenzeitung „Die Woche“.

A. Marquard-Mois


Mehr zu dieser MGH-Archivalie im Beitrag von Karel Hruza: „Unser gewaltigstes Geschichtswerk“ – Drei denk- und merkwürdige Zeitungsartikel über die MGH aus den Jahren 1934 und 1937. Mit Transkriptionen.